Man könnte meinen, jetzt kommt eine traurige Geschichte. Vieles spricht dafür. Bei näherer Betrachtung jedoch ist Kurt, um den es hier geht, ein wundervolles Beispiel für Optimismus und Lebensfreude.
Kurt war einer der ersten Pflegepatienten, die wir in Solvida versorgten. Er kam 2012 unter dramatischen Umständen zu uns. Gemeinsam mit seiner Frau wohnte er in zwei nebeneinander-liegenden kleinen Apartments in Denia. Nach einem Schlaganfall war er halbseitig gelähmt und seine Frau versorgte ihn. Eines Tages brach sie bei seiner Pflege über ihm zusammen und beide lagen hilflos im Apartment. Erst Tage später bemerkten Nachbarn den Fliegenbefall und den Geruch aus dem Apartment und riefen die Polizei. Diese verschaffte sich Zugang und fand das Paar in schlimmem Zustand, dehydriert und verschmutzt. Da es sich um Deutsche handelte, rief man SolvidaCare (damals noch DiaCare). Sofort fuhr die leitende Krankenschwester mit einer Pflegekraft zum Apartment, säuberte die beiden, sorgte zunächst für den Transport in das Krankenhaus und besuchte sie in der Folgezeit regelmäßig. Da eine Rückkehr in die eigenen Apartments nicht möglich war, wurde mit dem Paar und der Familie vereinbart, dass beide nach Solvida kommen sollten. Zuerst wurde er entlassen und zog ein. Einige Tage später sollte seine Frau folgen. Am Tag der vorgesehenen Entlassung verstarb sie im Hospital und er blieb allein in Solvida. Neben diesem Schicksalsschlag quälten ihn starke Schmerzen im Fuss. Dieser war durch seine Diabetes sehr stark geschädigt. Schließlich befanden die Ärzte, dass nur eine Amputation seines Beins die Schmerzen beenden könne. Tatsächlich lebte er nach der Amputation deutlich auf und sein fröhliches Gesicht begleitete uns viele Jahre. Morgens wurde er versorgt und aus dem Bett in den Rollstuhl gehoben, in den SolvidaClub oder auf die Terrasse gebracht, wo der seiner Zigarettenleidenschaft nachgehen konnte. Ja, das war aus ärztlicher Sicht unvernünftig, aber will man einem Menschen eine der wenigen Freuden nehmen? Seine Familie aus Deutschland, sogar der Sohn aus China, besuchte ihn regelmäßig. Eine Riesenfreude hatte er, als wir eine Videokonferenz mit seinen Enkeln in Peking organisierten. Bei einer Musikveranstaltung im SolvidaClub outete er sich als alter Rocker. Auf die Frage nach Musikwünschen rief er „Ted Herold!“ Das war der „deutsche Elvis“ der 50er Jahre. Tatsächlich hatte ich eine alte Platte von Ted Herold in meiner Mediathek und konnte ihn zum Strahlen bringen. Wer sagt denn, dass im Alter der Musikgeschmack verkümmert? Das war doch die Musik seiner Jugend! Auch unsere Veranstaltung „Rocking Rollator“ im SolvidaClub war ein großer Erfolg. Als wir versuchten, seinen Zigarettenkonsum etwas einzuschränken, nachdem auch das verbliebene Bein anfing, Probleme zu bereiten, stauchte uns sein Sohn regelrecht zusammen. Wir könnten dem Mann doch nicht das einzige Vergnügen nehmen. Recht hatte er! Eines Tages sprach er mich an, er bräuchte eine neue Packung Zigaretten. Ich antwortete freundlich, wie es meine Art ist „Ein Bein haben Sie ja noch!“ Wir beide lachten herzlich zusammen und selbstverständlich bekam er seine Zigaretten. Tatsächlich war wenige Monate danach auch das zweite Bein weg. Nicht aber seine gute Laune! Er war im Rollstuhl angegurtet und musste regelmäßig angehoben werden, weil er sich selbst nicht halten konnte. Trotzdem blieb er fröhlich und optimistisch bis zum Schluss. Ich denke oft an die 7 Jahre mit ihm zurück und muss jedes Mal lächeln. Danke Kurt!